Bildung statt Beschneidung gefordert
Meldung vom 18.07.2019
Autorin Fadumo Korn sprach im Erlanger Landratsamt über weibliche Genitalbeschneidung.
Erlangen. Fadumo Korn hat es selbst erlebt. Als Siebenjährige wird die gebürtige Somalierin, die heute in München lebt, von einer greisen Frau mit einer Rasierklinge beschnitten und danach zugenäht. „Ich bekam am Abend vorher sehr süße Milch. Heute weiß ich, es war ein Trost für das, was kam“, berichtet sie beim Infoabend über weibliche Genitalbeschneidung im Erlanger Landratsamt, zu dem der Arbeitskreis weibliche Genitalbeschneidung des Landkreises und Stadt Erlangen eingeladen hatte. Das, was kam: Schmerzen, tagelanges Koma, Folgeinfektionen. „Weibliche Genitalbeschneidung ist die größte körperliche und psychische Verletzung, die es gibt“, sagt Korn. Noch Jahre danach sei es sehr schwierig, den eigenen Körper anzunehmen, wie er sei. „Springen oder gar Fahrradfahren geht nicht, es tut zu weh“, sagt die Autorin über das 4.000- 5.000 Jahre alte Ritual, das aus Ägypten stammt. Noch heute ließen Mädchen dieses Ritual in dem Glauben über sich ergehen, dass sie sonst keinen Mann bekämen und nicht überleben könnten. Diese Sicht werde von Mutter zu Tochter weitergeben, zusammen mit der Aufforderung, den Eltern Ehre zu machen.
Im Gespräch bleiben
Bildung und Aufklärung sind für Fadumo Korn der Schlüssel zur Lösung im Kampf gegen weibliche Genitalbeschneidung. So können Mädchen selbstbewusst, frei und finanziell unabhängig sein. Ihr Verein gegen weibliche Genitalbeschneidung, NALA – Bildung statt Beschneidung e.V., unterhält auf privater Spendenbasis beispielsweise ein Schulungszentrum für Erwachsenenbildung in Burkina Faso und unterstützt dort bei Wasserversorgung und Gartenanbau. In München engagiert sich der Verein für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die Mitglieder begleiten Mädchen bei Arztbesuchen, kümmern sich um sie und unterstützen sie dabei, eine Ausbildung zu machen. Indem sie ihre persönliche Geschichte erzählt, will Fadumo Korn erreichen, dass über weibliche Genitalbeschneidung ohne Scheu gesprochen wird. „Noch nie waren so viele Frauen aus Afrika und sogar ein somalischer Mann bei meinem Vortrag. Ihr habt die richtigen Leute eingeladen. Nutzt Eure Chance, ladet sie ein und fragt sie, was sie möchten“, appelliert die Aktivistin an ihr Publikum. Parallel zu den Flüchtlingszahlen stieg auch das Interesse an dem Thema in Franken wieder an. 2018 gründete sich deshalb der Arbeitskreis weibliche Genitalbeschneidung in Landkreis und Stadt. Beim Infoabend wollten so viele Interessierte zuhören, dass die Organisatoren Cornelia Schmidt und Andreas Mittelmeier der Bildungsbüros von Landkreis und Stadt noch Stühle dazustellen mussten.
Mit Mythen aufgeräumt
Weltweit sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) 200 Millionen Mädchen und Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Allein in Deutschland leben laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums von 2017 fast 50.000 Betroffene. „Rund zehn Prozent versterben bei der OP. Nochmal zehn bis 15 Prozent sterben an Folgeinfektionen durch nicht-sterile Glasscherben oder Rasierklingen“, betont der Erlanger Gynäkologe Dr. Peter Kellermann. Die Medizin unterscheide vier Typen von Beschneidung. Typ 3, bei dem sowohl Schamlippen als auch Klitoris fehlen, sei der bekannteste. „Das Thema ist kein schöner Einstieg in den Feierabend. Für die Mädchen ist es aber auch kein schöner Einstieg in das Erwachsenenleben. Es ist unsere Aufgabe, auf dieses bedrückende Thema noch mehr hinzuweisen. Deshalb begrüße ich die Aktivitäten des Arbeitskreises sehr“, unterstrich Erlangens Dritte Bürgermeisterin Dr. Elisabeth Preuß. Auch die weitere stellvertretende Landrätin Gabriele Klaußner machten die Schilderungen von Kellermann und Korn wütend: “Diese Praxis ist eine Menschenrechtsverletzung. Wir brauchen mehr Mut, um darüber zu sprechen“, forderte sie. Neben Mut, Bildung und Aufklärung braucht es laut Fadumo Korn noch etwas, um gegen weibliche Genitalbeschneidung anzugehen: Viel Geduld.
Der Infoabend wurde vom Arbeitskreis weibliche Genitalbeschneidung organisiert. Eine Ausstellung der Augsburger Studentinnen Marie Rotter und Jana Gießmann vermittelte grundsätzliche Informationen in Bild und Schrift. Die Bildungsbüros des Landkreises Erlangen-Höchstadt und der Stadt Erlangen moderierten die Veranstaltung und begleiten den Arbeitskreis organisatorisch.
Text: https://www.erlangen-hoechstadt.de/aktuelles/meldungen/bildung-statt-beschneidung-gefordert/